Der Fremde kennt nicht unsere Wege – Chinaknigge für Langnasen

Bücher

Dr. Gerd Kaminski

Der Fremde kennt nicht unsere Wege – Chinaknigge für Langnasen

Rezensiert von Wendelin Ettmayer

„Le style, c´est l´homme meme „sagen die Franzosen. Univ. Prof. Dr. Gerd Kaminski, Geschäftsführer der Österreichisch-Chinesischen Gesellschaft, zeigt nun in seinem jüngsten Buch „Der Fremde kennt nicht unsere Wege – Chinaknigge für Langnasen“, dass die Art, wie sich Menschen präsentieren, wie sie untereinander und mit anderen kommunizieren, wie sie sich in den verschiedensten Situationen des Lebens verhalten, nicht nur über den einzelnen Menschen sehr viel aussagt, sondern auch über den Charakter und die Wesenszüge eines ganzen Volkes.

Konkret schildert der Autor äußerst interessant und oft humorvoll, wie die traditionsbewusste und hierarchisch strukturierte chinesische Gesellschaft funktioniert; wie man ihren Exponenten auf politischer Ebene oder im gesellschaftlichen Bereich begegnen soll, ohne das Protokoll zu verletzen; ja wie man in China Freunde gewinnen kann. Gleichzeitig erfährt man sehr viel über jene Werte, die der chinesischen Gesellschaft zugrunde liegen; über Mythen, Aberglauben und Traditionen.

Die Chinesen sind ein selbstbewusstes Volk. Deshalb ist es für jeden sehr wichtig, „sein Gesicht zu wahren“. Das gilt wohl für alle Kulturkreise, in China aber ganz besonders. „Gib mir Gesicht“ sagen die Chinesen oft, wenn sie jemanden zu einer Verhaltensweise bewegen wollen. Im Einklang mit Konfuzius, der wieder stark an Bedeutung gewonnen hat, fordert das chinesische Ritual, andere zu respektieren; diesen Respekt aber auch für sich in Anspruch zu nehmen. Diese Maxime führt direkt zur Bedeutung des „Gesichts“.

Wenn sich manche Fragen, warum sich Mao Zedong immer noch einer Popularität erfreut, obwohl seine Herrschaft viele Opfer verlangt hat, dann wohl deshalb, weil er am Tag seiner Machtergreifung ausgerufen hat: “ Wir werden niemals wieder eine gedemütigte Nation sein“ und dies in seiner Politik auch durchgesetzt hat. Zu viele seiner Landsleute wussten offensichtlich noch von den Demütigungen Chinas durch den Opiumkrieg oder den später von den westlichen Mächten aufgezwungenen Verträgen.

In China muss Autorität akzeptiert werden; „ein Befehl ist ein Befehl“. Auch dieses Prinzip ist tief im Konfuzianismus verankert. Schon der Erste Kaiser, Qin Shi Huangdi, hat das Land, um 220 vor Christus, mit großer Härte geeint; und bis heute kommt dem „Lingdao“, dem Vorgesetzten, eine besondere Autorität zu.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass China den Freiheitsbegriff, wie er in Europa entwickelt wurde, nicht gekannt hat. Kaminski verweist dabei wohl zu Recht auf jene chinesischen Biografen des jetzigen Staats- und Regierungschefs Xi Jinpings, die eine klare Autorität begrüßen und Xi als einen „Führer mit eiserner Hand und einem Lächeln auf den Lippen“ preisen. Dieser Glaube an die Autorität entsteht schon in der Familie, wo die Kinder lernen, die Eltern zu respektieren; so wie der jüngere Bruder den älteren.
Sehr interessant und oft amüsant sind jene Kapitel des Buches, wo dargestellt wird, wie und in welchen Bereichen sich China und Österreich ähnlich sind. Gleichzeitig erfährt man sehr viel darüber, wie sich die bilateralen Beziehungen entwickelt haben.

Titel spielen auch in China eine große Rolle; bei höheren Funktionären vergibt man sich nichts, wenn man sie mit „Exzellenz“ anspricht. „Es gilt in beiden Ländern als unfein, durch die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Mittel mit anderen in offenen Konflikt zu geraten“. Kaminski charakterisiert auch die jeweiligen Bürokratien mit den Aussprüchen „Des hamma immer so gmacht“ bzw. „Des hamma nie so gmacht“. Das Titelwesen ist auch in China sehr ausgeprägt; der Titel des Mannes überträgt sich auch auf seine Frau.

Ähnlichkeiten sieht Kaminski auch beim „Wiener Schmäh“, beim „schönen Begräbnis“ und bei der Lust auf gutes Essen. Aber trotz mancher Ähnlichkeiten gibt es auch viele Verschiedenheiten, die man kennen soll. Das Buch von Gerd Kaminski ist deshalb „ein Muss“ für alle, die beruflich oder privat China besser kennenlernen wollen. Es ist eine ausgezeichnete Anleitung, wie man die erste Begegnung erfolgreich anbahnen und spätere Kontakte wirkungsvoll ausbauen kann.

Dr. Wendelin Ettmayer; ehem. Botschafter
www.wendelinettmayer.at

Gerd Kaminski
Der Fremde kennt nicht unsere Wege – Chinaknigge für Langnasen

ISBN 9783903071711
Bacopa Verlag 2020
206 Seiten
€ 24,80