Ausgabe März 2025: Auslese. Marias Bücherblog

Blog

Fun de valognan Gschroppn. Hans Werner Sokops wienerische Max-und-Moritz-Fassung

160 Jahre ist es her, seit jenes Buch erschien, das heute zu den meistverkauften Kinderbüchern gehört; dabei schien es 1864 ein geschäftlicher Misserfolg zu werden, war es doch weder ein Märchen-, noch ein Bilder-, noch ein Karikaturenbuch. Und dazu grausam. Das Werk musste sich von vielen Seiten Schelte gefallen lassen: politische, ethisch-kritische, politische, pädagogische … Die steirische Schulbehörde untersagte noch 1929 den Verkauf von Max und Moritz an Jugendliche unter achtzehn Jahren.

Der Verleger Heinrich Richter lehnte es 1864 ab, das Buch herauszubringen. Ein Jahr später erwarb Kaspar Braun die Rechte um 1000 Gulden, das entsprach zwei Jahreslöhnen eines Handwerkers; Busch war zufrieden. Die ersten 4000 Exemplare verstaubten drei Jahre lang in einem Lager. Für ein Exemplar aus dieser ersten Auflage zahlte ein Liebhaber 1998 auf einer Auktion umgerechnet heutige 125.000 Euro. Busch hatte zwischenzeitlich Filmemacher, Karikaturisten, Komponisten, Dramaturgen, Maler, Parodisten und Nachahmer inspiriert. Seit 1984 wird auf dem Comic-Salon Erlangen der Max-und-Moritz-Preis verliehen.

Im Todesjahr von Wilhelm Busch gab es schon 430.000 Exemplare aus 56 Auflagen in zehn Sprachen. 1997 waren es mindestens an die 300 Dialekt- und Sprach-Fassungen bis hin zum Japanischen, Altgriechischen und Lateinischen. Es existieren Fassungen in 60 deutschsprachigen Dialekten, darunter seltene Sprachen wie Südjütisch – den Überblick zu behalten, scheint unmöglich. „Angesichts der vielen Dialektausgaben gewinnt man den Eindruck, dass Max und Moritz zum Übungsmaterial für Philologen geworden ist“, sagt der deutsche Bibliothekar Heinz Wegehaupt. Es gibt großstädtische Dialektfassungen aus Berlin, Dresden, Mannheim, Freiburg, Bern – und Wien (doch dazu später) und ländliche aus Ostfriesland, der Westprignitz und dem Steigerwald. Auch vom Aussterben bedrohte Mundarten (aus Essen und Moers) oder noch gesprochene (aus Brixen oder der Zips), ja sogar Vertriebenendialekte (aus Wachtl und Sternberg in Mähren) und Pennsylvania-Deitsch, Letzenbuergesch und Jiddisch erzählen die Geschichte. Es existiert eine Fassung, bei der die neun Kapitel jeweils in einer Regionalsprache (Plattdütsch, Kölsch, Hessisch, Schwäbisch, Bairisch, Berlinerisch, Sächsisch, Wienerisch und Schwyzerdütsch) abgefasst sind („Wilhelm Busch: Max und Moritz in neun Dialekten“, Hg.: Manfred Görlach, Reclam, 2019. ISBN 3-15-018099-6). Alfred Gatternig präsentiert bei Heyn eine Kärntner Fassung: „Max und Moritz auf Kärntnerisch. A Buemengschicht“. Bemerkenswert ist der Youtube-Auftritt von Student/inn/en aus neun österreichischen Bundesländern, die den 3.Streich aus der Originalsprache so vorlesen, dass dahinter der ihr Herkunftsdialekt durchklingt: https://www.youtube.com/watch?v=cPLY6bx953c .

Bei Hans Werner Sokop in der Wiener Reclam-Fassung liest sich der Erste Streich, dessen Anfang am Buchrücken abgedruckt ist, so: „Mauncher tuat si sehr vü au,/ dass er Hendln hoitn kau./ Erschtens, d Eier san a Segn,/ wos de Piperln fleißig legn;/Zweitens mocht ma daun und waun/ si an Brotn in der Pfaun…“

Das Buch hat in dieser Wienerischen Fassung als Reclam-Band 79 Seiten samt Zeichnungen. Dem „Vurwurt“ folgt ein „Erschtes Stickl“ und wir vergnügen uns seitenweise, bis ein “Letztes Stickl“ zwar die Geschichte, aber nicht das Buch beschließt. Auf das Kapitel “Schluss“ folgt ein Anhang mit Worterklärungen: Die „Gham“, der „Gschaftlhuaba“ (für den Hansdampf), der „Bahöö“, die „Hockn“ und viele andere Ausdrücke erfreuen uns.  Eine gute Vergleichsmöglichkeit ergibt sich durch die nachfolgend abgedruckte hochdeutsche Fassung. Aus einer Nachbemerkung Sokops geht hervor, dass ihm das Vorhaben der Übertragung ins Wienerische im Jahr 1987 innerhalb von 48 Stunden geglückt ist. 1995 hat es diese Fassung auch ins Buch von Görlach (siehe oben: „Wilhelm Busch: Max und Moritz in neun Dialekten“) geschafft. Er erzählt in diesem Nachwort unter anderem, wie aus Mäusen (im Dialekt „Mais“ und daher phonetisch verwechslungsproblematisch zur Pflanze) „Rotzn“ wurden, die sich herrlich auf “Frotzn“ reimen.

Hans Werner Sokops „Wiener“ Sozialisation (Realgymnasium Diefenbachgasse, nachfolgend Verwaltungsdienst und Studium der Rechtswissenschaften) und seine Liebe zum Wiener Dialekt wird in vielen seiner Veröffentlichungen sichtbar. Ihm ist der Schüttelreim, der Limerick, das Akrostichon und Distichon gleich viel Wert wie die Stilform des Haiku. Eine Grenze zwischen Ernsthaftigkeit und Spiel scheint für ihn nicht zu existieren. So übersetzt er 1975 Dante Alighieris Göttliche Komödie unter Aufrechterhaltung der Terzinenform neu in der Hochsprache und reimt später auf Wienerisch: „Hob Ritter gsegn, wauns ausm Loger ruckn,/ wüd vierebreschn, schwanzln zu Paradn,..“

Haben Sie viel Vergnügen mit:

Wilhelm Busch. Max und Moritz auf Wienerisch. A Buamagschicht in siebm Stickln. Von Hans Werner Sokop. Stuttgart: Reclam, 2015. ISBN: 978-3-15-019286-3. € 5,95.

(Obwohl man das Buch unbedingt in Händen halten soll können, soll hier nicht verschwiegen werden, dass der Reclam-Verlag das Werk auch als pdf ins Internet gestellt hat: https://www.reclam.de/data/media/978-3-15-019286-3.pdf )

Und weiters gilt es anzumerken, dass es eine zweite Wienerische Fassung, vorgelegt vom Verlagshaus Hernals, gibt:

Christian Hemelmayr (mit Zeichnungen von Heinz Wolf). Max und Moritz auf Wienerisch. A Buamag´schicht in 7 Kapitln, € 29,90, 72 Seiten, gebunden, fadengeheftet ISBN 978-3-902975-10-2. Mit einem Hörbuch zum Streamen, gelesen von Christian Hemelmayr.