70 Jahre ÖKV

GEMEINSAM ZUKUNFT GESTALTEN 10 Motivation & Erfolge Seit 1995 gibt es den Wiener Kulturkongress der ÖKV. Jahr für Jahr trifft das Gre- mium der Österreichischen Kulturvereinigung die Entscheidung für ein Kon- gressthema des jeweils übernächsten Jahres und beginnt, den Ablauf zu struktu- rieren. Ziel ist es jeweils, die kulturellenWerte in allen ihren Facetten, Traditionen, Stärken und Widersprüchen zu präsentieren sowie Wissenschafter*innen und Kulturträger*innen von Rang zur Mitarbeit einzuladen. Dass wir jedes Mal inte- ressante Persönlichkeiten finden konnten, die bereit waren, entsprechende The- men für uns aufzubereiten, betrachten wir als großes Geschenk. Ein Überblick über die Kongressthemen seit 1995 und damit ein Viertel Jahr- hundert dokumentiert, dass die Themen immer gut sichtbar vor uns liegen und lagen: Man muss das Geschehen nur aufmerksam genug beobachten und das Wesentliche daran erfassen. Die eigentliche Arbeit dabei ist somit nicht das Her- beischaffen der Themen, sondern die Beschränkung auf das Exemplarische. Alles Dargestellte kann nur Ausschnitt, Spotlight, Beispiel sein. Geht es um historische Betrachtungen, etwa betreffend das Jahr 1934 oder 1968, kann mit Walter Benjamin gesagt werden, dass man damit„Jahreszahlen ihre Physiognomie“ gibt, wobei das Ergebnis immer nur eine kollektive Physio- gnomie sein kann. Und doch bieten einzelne Beiträge ganz individuelle Zugänge; dies gilt umsomehr dann, wenn die Archive der persönlichen Erinnerungen auch persönliche Reflexion beinhalten. Dass sich dabei analytischer Anspruch und individueller Erfahrungshorizont vermischen, nimmt die Österreichische Kulturvereinigung bewusst in Kauf. Manchmal war auch ein Perspektivenwechsel nötig: Die Geschichtsschreibung über den Februar 1934 war bislang hauptsächlich von der Sozialdemokratie nahestehenden Wissenschaftlern dominiert. Beim Kongress und im Kon- gressband kommen zahlreiche junge Historiker, Juristen und Politologen zu Wort. Im Fokus steht die Tragik der Er- eignisse 1934, die nach dem Februaraufstand in den „Staatsstreich von oben“ und in das autoritäre System führten. Dokumentiert wird die Verschränkung der innenpolitischen Entwicklung mit den Entwicklungen im europäischen Umfeld und den daraus entstandenen Abhängigkeiten. Dargestellt wird auch, dass die Christlich-Sozialen weder da- mals noch heute die tiefe Traumatisierung der Sozialdemokratie durch die Ereignisse und Folgen des Jahres 1934 erkannt haben. Leitthema ist die„Annäherung“ zweier Lager. In diesem Fall war es der ÖKV wichtig, durch die Veran- staltung zu einer De-Emotionalisierung dieses noch heute relevanten Themas beizutragen. Maria Dippelreiter Vizepräsidentin der Österrei- chischen Kulturvereinigung

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