70 Jahre ÖKV
GEMEINSAM ZUKUNFT GESTALTEN 36 war ab 1938 zum berühmtesten Lyriker Nazi-Deutschlands geworden und von Hitler in die Gottbegnadeten-Liste mit den wichtigsten Schriftstellern des NS-Reiches aufgenom- men worden. Dabei schien die „Idee zur Aufnahme des ‚Fall Weinheber‘ (...) gar nicht aus der Redaktion selbst ge- kommen zu sein, sondern war eine Folge der Englandreise Seefehlners und seiner Begegnung mit den dort im Exil lebenden österreichischen SchriftstellerInnen. Offenbar entgegen der Erwartung des ‚Turm‘ fand die eigene Posi- tion keineswegs ungeteilte Unterstützung: Edwin Rollet, Heinz Politzer und Lernet-Holenia wollten der hohen Ein- schätzung desWerkes vonWeinheber durch die Zeitschrift nicht zustimmen, die beiden letzten sahen in Weinhebers Selbstmord auch nicht den behaupteten Sühneakt, wäh- rend Michael Pfliegler den Suizid überhaupt in Abrede stellte. Die Bekenntnisse zu Weinheber kamen erstaunli- cherweise von emigrierten Autoren, von Felix Braun und Franz Theodor Csokor, dem vom ‚Turm‘ das Schlusswort zum„Fall Weinheber“ eingeräumt wurde: „Vor seinem Gra- be darf man nur sagen, daß darin ein Dichter ruht, der die Probe auf den Menschen in sich nicht bestand, der männ- lich seine Schuld gesühnt hat, als er sie erkannte.“ 12 Und so kontroversiell die Diskussion auch geführt wurde, die Kul- turvereinigung würdigte das dichterische Werk Weinhe- bers in den Jahren ab 1947 mit einer Vielzahl von äußerst gut besuchten Lesungen. Unter den Autorinnen und Autoren des‚Turm‘ war da noch die große Zahl jener, die während der NS-Zeit in Österreich oder Deutschland geblieben waren, zum Großteil bereits vor 1938 publiziert hatten und danach verboten oder 12 Englerth, S. 17 Die Frage ‚Warum sind wir „modern“?‘ stellte der ‚Turm‘ in Heft 8 vomMärz 1946, bebilderte die Ausgabe reich und erhielt Antworten darauf von Minister Felix Hur- des, Herbert Boeckl, Ceno Kosak, Gottfried von Einem, Alfred Kubin, Gustav von Man- ker, Otto Mauer, Oskar Fritz Schuh und Fritz Wotruba.
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