Ukraine-Invasion - Andreas Wenninger und Anna Krachovska
2022-03-15
Aufgrund der überaus dramatischen Entwicklungen seit dem Beginn der von Russland unter Putin durchgeführten Invasion in die Ukraine konnte der sich in Wien aufhaltende Leiter des österreichischen Kooperationsbüros Lemberg, Dr. Andreas Wenninger, von seinen Erfahrungen bei der fluchtartigen Ausreise erzählen. Er gab seine Einschätzungen zur Lage in der Ukraine und den größeren Zusammenhängen ab und legte sein aktuelles humanitäres Engagement dar. Seine Mitrednerin war Frau Anna Krachovska, Leiterin der ukrainischen Samstagsschule, die nun hunderte ankommende Flüchtlingskinder zu betreuen hat.
Zunächst betonte Wenninger, dass die Vorgänge in der Ukraine keineswegs unerwartet gekommen seien. Putin habe seit Langem seine Vorstellungen zur Ukraine und der anzustrebenden Rolle Russlands im post-sowjetischen Zeitalter angekündigt. Schließlich führt er ja schon seit 2014 seinen Krieg um die Krim und mehr.
Ebenso räumte er mit der Behauptung auf, „russische Bevölkerung“ hätte in den derzeitigen Rebellen-Republiken oder auf der Krim leiden müssen; diese sei nur Ausfluss eines krausen Weltbildes und Anlass für die strategische Gier des Kreml-Chefs gewesen.
Dass aber andererseits der Westen, allen voran die USA ihre Interessen rücksichtlos und letztlich wenig günstig für das Land selbst, stark vorangetrieben hätten, zeigte er am Bespiel der bereits um das Jahr 2000 mit 1.500 Personen überaus starken US-Botschaft auf.
Danach schilderte Andreas Wenninger seine abenteuerliche Fahrt von Kiew nach Polen, die durch das Kriegsrecht und unüberschaubare Straßenverstopfungen gekennzeichnet war. In welche Richtung sich die weitere Entwicklung bewegen werde, wäre kaum voraussehbar, nicht zuletzt deshalb, weil auf beiden Seiten völlig konträre Ansprüche und Einschätzungen bestehen. Die Ukrainer glaubten, sie könnten den Krieg gewinnen, die Russen wiederum, dass sie ihre Ziele der Anerkennung der abgetrennten Landesteile und einer Neutralisierung mit dem Hebel der Gewalt erzielen würden – im Grunde gäbe es derzeit nichts zu verhandeln. Bemerkenswert war auch die gemeinsame Feststellung, dass „der Westen“ die Entwicklungen in der Russischen Föderation hin zu einer Diktatur, in der die Transition – mit Ausnahme eines Turbokapitalismus von Putins Gnaden – kaum vollzogen ist und die Mehrheit der Menschen mit neoimperialem Wahn betäubt werden können.
Der Darstellung von Wenninger folgte eine angeregte und längere Diskussion, aus der auch die fragwürdige Rolle der russisch-orthodoxen Kirche hervorging, nicht aber die ethisch fragwürdige Rolle der gekauften westlichen Elitenvertreter bzw. ehemaliger Politiker*innen im Solde Putins erwähnt wurde.
Im Laufe des Abends erhielten auch zwei junge Aktivistinnen der ukrainischen St. Barbara-Gemeinde Gelegenheit, einen Hilfsappell an das Publikum zu richten. Die Sammelaktion am Ende des Abends erbrachte einen Betrag von 1.000 Euro Ukrainehilfe; dieser wird der Arbeit der Samstagsschule zu Gute kommen. Die über 80 Besucher des Abends waren sowohl von der Unmittelbarkeit der Darstellung des Erlebten, wie vom humanitären Engagement der ukrainischen Gäste beeindruckt.